Peter Lehel Quartet - Paul Auster Jazz
Für das neue Programm des Peter Lehel Quartets lässt sich der Saxophonist, Komponist und Arrangeur Peter Lehel von den Romanen, Erzählungen und Personen aus Paul Austers reichhaltigem Ouevre inspirieren.
Der 2024 verstorbene Paul Auster war Bestsellerautor in den USA und Kultautor in Europa . Er hat mit seiner Sprachgewalt und raffinierten Gedankengängen den Nerv der Postmoderne getroffen.
Mitte der 80er-Jahre schaffte er mit seiner „New York Trilogy“ den Durchbruch. Er schrieb experimentelle Kriminalgeschichten, wie „Stadt aus Glas“, die – mit raffinierten Twists – in Ambivalenzen und komplexe existenzielle Fragen münden.
„Beim Schreiben sei er völlig blind und schwebe. Anfangs habe er eine ziemlich genaue Vorstellung vom Buch, aber dann geschehen überraschende Dinge, und am Ende ergebe das ein ganz anderes Buch“, sagte Paul Auster einmal.Der Enkel jüdischer Einwanderer aus Galizien lebte ein paar Jahre als Bohemien in Paris, wo er Samuel Beckett traf, war aber eigentlich zu Hause in New York, in Brooklyn, das er auch in Filmen wie „Smoke“ verewigte.
In fast allen Romanen Austers gibt es Querverweise innerhalb seines gesamten Schaffens. Der Autor selbst sieht seine Bücher als Teile derselben Landkarte. Bestimmte Charaktere tauchen mehrfach auf oder sind miteinander verwandt.
In all diesen Facetten befinden sich Analogien zur Herangehensweise Peter Lehels an die Musik, seiner Reminiszenz an Paul Auster:
War es zunächst die Jazzhistorie, vor allem mit dem modalen Jazz des klassischen John Coltrane Quartets, die den Sound des Peter Lehel Quartets beeinflusste, kamen später Elemente des Groove Jazz, klassische Einflüsse des Chamber Jazz, ungarische Volksmusik um Béla Bartók hinzu.
Immer wieder hat das Peter Lehel Quartet Gäste aus der Klassik, Weltmusik und dem Jazz zur Erweiterung des Spektrums mit dabei.
Heilbronner Stimme 15.01.2025: Geistgestalten und Schattenmänner
Peter Lehel (1965) ist Bandleader, Komponist, Arrangeur, Dozent – vor allem aber ein großartiger Saxofonist und gern gesehener Gast beim Jazzclub Cave 61. Paul Auster ist einer der einflussreichsten amerikanischen Gegenwartsliteraten und einer der Lieblingsautoren von Peter Lehel. Er verstehe zwar nicht alles, was er schreibt, sagt der Karlsruher Saxofonist, aber Austers Literatur mit seiner Musik zusammenzubringen, war ihm eine Herzensangelegenheit.
Vergangenen Samstag spielte das Peter Lehel Quartet erst sein Album „Paul Auster Jazz“ ein – elf Stücke in einer vierstündigen Session. Das funktioniert nur mit so erfahrenen und motivierten Mitstreitern wie Ull Möck (Piano, E-Hammond), Dirk Blümlein (E-Bass) und dem Schlagzeuger Jakob Dinnebier.
Inspirationsquelle 60 Besucher des Cave 61 kamen am Montag in der Zigarre in den Genuss, weite Teile des Auster-Programms zu erleben. Lehel wollte nicht dessen Werke vertonen, sondern nutzt sie als Inspirationsquelle für seine Kompositionen. In den Abend startet das Quartett jedoch mit dem funkigen „Moove“, das Bewegung in den Saal pumpt.
Auster schrieb Ideen zu Büchern per Hand in Notizblöcke. Die Notizen tippte er später auf einer Olympia-Schreibmaschine ab. „Ich lebe mit meinen Romanfiguren fünf Jahre lang, ehe ich überhaupt zu schreiben anfange. Sie verwandeln sich, und aus Geistgestalten werden Personen. Sie bleiben in meiner Erinnerung hängen wie unkündbare Untermieter oder Geister, die ich nicht vertreiben kann“, zitiert Lehel den Schriftsteller.
Ein Prinzip, das auch Jazzern nicht fremd ist. Eine Idee findet keinen Platz in einem Stück und wird Jahre später verwendet.
Austers Romanfiguren Peter und Virginia Stillman aus „Stadt aus Glas“ (1985) widmet Lehel sein „Auster Samba“. Ein elegisches Piano-Intro bereitet den Boden für ein virtuoses Saxofon.
Fließende Pianoläufe, unter füttert von einem knackigen Bass und einem vitalen Schlagzeug, sind Ausgangspunkt für die Zwiegespräche der Instrumente. Möck, Blümlein und Dinnebier klinken sich beim Saxofon ein, unterstützen und antworten lässig entspannt. Peter Lehel ist ein Meister des weichen, warmen, immer wieder anders gefärbten Saxofon-Tons, der mal zwitschert, mal groovt oder schluchzt wie eine Klarinette.
Die Romane von Austers New- York-Trilogie wirken wie Krimis. Aber bald stimmen die Zusammen- hänge nicht mehr, Täter werden rätselhaft zu Opfern, Verfolger zu Verfolgten. Und immer wieder mischt der Zufall mit – wie im Jazz. In Lehels „Blue Smoke In The Face“, einer Kombi aus den Filmtiteln „Smoke“ und „Blue In The Face“, herrscht getragene Lounge-Atmosphäre. Man riecht förmlich die dicken Rauchschwaden und vernimmt dunkle Bassstimmen in dieser Lautmalerei. „Brooklyn Avenue“, „Quinn“, „Jim Nash Blues“: Sie alle erzählen Ge- schichten von Verlierern und legen einen Funk-Teppich aus, auf dem Lehels Saxofon in raschen Tempo- wechseln tänzelt, rast, trödelt und die Zerrissenheit von Austers Personal hörbar macht.
Spiegelkabinett Höhepunkte im zweiten Set sind die Ballade „Moon Palace“, das groovige „Mr. Vertigo“ und das dreiteilige „Blue, White, Black“. In Teil zwei der New-York- Trilogie, „Ghosts“, kriegt der Privatdetektiv Blue von einem Mann namens White den Auftrag, einen Mann namens Black zu beschatten. Wie Auster im Roman ein abstraktes Spiegelkabinett konstruiert, in dem die Identitäten verschwimmen, kreiert Lehel ein musikalisches Vexierspiel mit allem, was das Jazzherz begehrt: Selbstreflexion über die eigene musikalische Identität, Querverweise ins eigene Werk und das Ausloten überraschender Wendungen und Stimmungswechsel zwischen verspielt, geheimnisvoll, dramatisch.
Das Konzert endet mit dem lyrisch-wehmütigen Sopransax-Stück „Lonely Bird On A Lonely Planet“.
Listen to on
The New Peter Lehel Quartet
Sea of Love
Liner Notes LP / CD
Neues Quartett, neuer Sound: Der vielseitige Saxophonist Peter Lehel reichert seine weitgefächert facettenreiche Stilistik um eine weitere Nuance an. Den funky Touch verdanken die zehn Stücke auf »Sea of Love« vor allem dem knackig runden E-Bass von Dirk Blümlein, dem markanten Groove des Schlagzeugs von Christian Huber und dem von Ull Möck neben dem Flügel so dezent wie wirkungsvoll eingestreuten Einsatz des Fender Rhodes u.a. in »Song For No Reason«. So changiert die Stimmung feinfühlig zwischen dem Sound der 70er in »Moove«, dem Cool-inspirierten Jazz der reinen Lehre in »Lonely Bird On Lonely Planet«, der Hommage an John Coltrane in »Trane‘s Hussar Mood« und dem Bezug zu Lehels ungarischen Wurzeln in »One For Kodály«, dem das Tárogató eine unmittelbar authentische Klangfarbe verleiht. Getragen von heiterer Gelassenheit auf der einen Seite, von abgeklärter Melancholie auf der anderen entfaltet sich das Ideal einer klanglich sensitiven, melodischen, harmonischen und rhythmischen Ausgewogenheit in emotionaler Balance und einer nachdenklichen Herzensruhe, der die Zukunft feinsinnig zulächelt.
Dr. Tobias Böcker